Am 6. Februar 2025 fand das DVW-Nachwuchskolloquium "Success Stories Geodäsie" an der Uni Stuttgart statt. Zwei Referentinnen und ein Referent teilten ihre persönlichen beruflichen Erfahrungen und inspirierten die etwa 70 Teilnehmer mit spannenden Einblicken in die Welt der Geodäsie und Geoinformatik.
Nachwuchs-Kolloquium „Success Stories Geodäsie“: Inspiration für angehende Geodätinnen und Geodäten
Bericht
Tobias Pfitzenmaier: Flurneuordnung als Beruf: Ein Weg mit Zukunft
Pfitzenmaier kam durch einen Zufall zur Geodäsie: Ein Gespräch mit dem Bruder eines Mitschülers weckte sein Interesse an diesem Fachgebiet. Nach seinem Abitur 2012 entschied er sich für das Studium der Geodäsie und Geoinformatik an der Universität Stuttgart, das er mit einem Bachelor- und Masterabschluss abschloss. Anschließend begann er das Referendariat für den höheren vermessungstechnischen Verwaltungsdienst, welches er nach 22 Monaten mit der Staatsprüfung beendete. Seit Herbst 2021 ist er als Leitender Ingenieur für die Flurneuordnung im Ortenaukreis tätig.
In seinem Vortrag hob Pfitzenmaier besonders hervor, dass das Referendariat eine wertvolle Möglichkeit ist, praxisnahe Erfahrungen zu sammeln und eigene Ideen einzubringen, während man gleichzeitig auf eine Führungsposition vorbereitet wird. Trotz anfänglicher Zweifel hinsichtlich des zusätzlichen Lernaufwands nach einem Studium und der finanziellen Situation während des Referendariats konnte er die Vorteile dieser Ausbildung schnell erkennen.
Als Leitender Ingenieur leitet Pfitzenmaier ein Team von acht Mitarbeitern und betreut im Ortenaukreis sieben beschleunigte Zusammenlegungsverfahren im Schwarzwald, die sogenannten Schwarzwaldverfahren. Diese Verfahren dienen dazu, landwirtschaftliche Flächen effizienter zu strukturieren, Wege zu modernisieren und Nutzungskonflikte zu lösen. Im Schwarzwald gibt es spezifische Herausforderungen wie steile Hanglagen und weit abgelegene Höfe, die an das öffentliche Wegenetz angebunden werden müssen. Hinzu kommt eine besondere Finanzierungsstruktur, bei der die Eigentümer maßgeblich beteiligt sind.
Ein zentraler Aspekt seiner Tätigkeit ist das Projektmanagement: Von der Planung über die Budgetierung bis hin zur Abstimmung mit Landwirten, Behörden und Naturschutzvertretern ist ein hohes Maß an Organisation und Kommunikation gefragt. Zudem ist Kreativität wichtig, um individuelle Lösungen für unterschiedliche Problemstellungen zu finden.
Abschließend betonte Pfitzenmaier, dass die Flurneuordnung eine spannende und vielseitige berufliche Perspektive für den geodätischen Nachwuchs bietet. Die Möglichkeit, aktiv zur Gestaltung der Landschaft beizutragen und langfristige Verbesserungen für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung zu schaffen, macht diesen Beruf besonders reizvoll.

Sabrina Preuß: Voller Energie: Mein Weg in die Hochspannung
Preuß Interesse an der Geodäsie wurde bereits in der Schulzeit durch ein MINT-Programm geweckt, das Schülerinnen naturwissenschaftlich-technische Studiengänge näherbringen sollte. Besonders faszinierte sie die Kombination aus mathematischen Grundlagen und praktischer Anwendung, die sie schließlich zum Studium der Geodäsie und Geoinformatik an der Universität Stuttgart führte. Während des Studiums schätzte sie vor allem die enge Zusammenarbeit mit Kommilitonen und die praxisnahen Projekte, darunter ein integriertes Praktikum und ihre Bachelorarbeit zur Klassifikation von 3D-Gebäuden in einer virtuellen Umgebung.
Während ihres Masterstudiums sammelte Preuß erste Berufserfahrungen als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Ingenieurgeodäsie (IIGS), bevor sie 2019 in die Energiewirtschaft einstieg. Heute arbeitet sie bei der Omexom Hochspannung GmbH als Projektingenieurin und ist für die Planung von Hoch- und Höchstspannungsleitungen verantwortlich. Ihr Tätigkeitsfeld umfasst den gesamten Planungsprozess – von der ersten Entwurfsphase über Genehmigungsverfahren, Austausch mit der Statikabteilung bis hin zur finalen Revision. Ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit ist der Einsatz von Geoinformationssystemen (GIS) und CAD-Programmen, die für die Analyse und Planung von Freileitungen unverzichtbar sind.
Preuß betonte, dass die Energiebranche aktuell vor großen Herausforderungen steht. Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert eine leistungsfähige Infrastruktur, um Strom aus Wind- und Solarparks dorthin zu transportieren, wo er benötigt wird. Gleichzeitig müssen bestehende Netze modernisiert und den wachsenden Anforderungen angepasst werden. In diesem Kontext spielt die Geodäsie eine entscheidende Rolle, da präzise Vermessungen und detaillierte Planungen die Grundlage für eine sichere und effiziente Energieversorgung bilden. Besonders spannend ist für sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit: Von der Vermessung über die Abstimmung mit Behörden und Naturschutzvertretern bis hin zur technischen Umsetzung sind vielseitige Kompetenzen gefragt.
Abschließend hob sie hervor, dass die Geodäsie viele spannende Berufsmöglichkeiten bietet – auch in Branchen, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich erscheinen. Sie ermutigte die Studierenden, sich frühzeitig mit den vielfältigen Perspektiven ihres Fachs auseinanderzusetzen und offen für neue Wege zu sein. Ihre eigene Laufbahn zeigt, dass dieses Fachgebiet weit mehr Möglichkeiten bietet, als man auf den ersten Blick vermutet.

Kassandra Schwämmle: Hinaus aufs Meer – Wie die Vermessung schwimmen lernte
Kartografie, Geografie und Astronomie – früh stand fest, dass der Weg für Schwämmle in eine technische Richtung führen würde. Die Faszination für räumliche Zusammenhänge begann für sie bereits in der Schulzeit mit Geografie als mündlichem Abiturfach und Astronomie als Zusatzfach. Ursprünglich lag der Fokus auf einem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik, doch ein Besuch an der Universität Stuttgart lenkte das Interesse in eine andere Richtung: Geodäsie. Die Verbindung von Vermessung, Karten und Navigation überzeugte sofort.
Im Bachelor lag der Schwerpunkt auf der Nutzung von Satelliten- und Fernerkundungsdaten. In ihrer Bachelorarbeit arbeitete Schwämmle an einem Projekt aus Chile, wo Landsat-Satellitenbilder zur Klassifizierung von Brandgebieten eingesetzt wurden. Im Master verlagerte sich der Fokus zunehmend auf Navigation und Photogrammetrie. In ihrer Masterarbeit am Institut für Photogrammetrie und Geoinformatik beschäftigte sie sich mit der Kombination aus UAV-Bildern, LiDAR-Daten und Panoramabildern zur Erstellung präziser 3D-Modelle.
Schwämmle startete ihre berufliche Laufbahn mit einem Praktikum bei der in-innovative navigation GmbH. Dort stand die hochgenaue GNSS-Positionierung für die Binnenschifffahrt im Mittelpunkt. Besonders spannend waren dabei die Nutzung von SAPOS zur Verbesserung der Schiffspositionierung sowie der Einsatz des River Information Systems (RIS), das georeferenzierte Daten für die Schifffahrt bereitstellt. Nach einer Zwischenstation im Bereich der Ingenieurvermessung folgte die Rückkehr zur ‚in‘ – mit einem neuen Schwerpunkt auf Software-Entwicklung.
Hier stand für sie die Weiterentwicklung von Navigationssystemen besonders im Fokus, insbesondere der Electronic Navigational Charts (ENC), die für eine sichere Navigation essenziell sind. Im Rahmen eines Projekts für den Hafen Basel wurden Karten überarbeitet, um Wasserstraßen und Untiefen noch präziser darzustellen.
Heute liegt der Fokus von Schwämmle im Bereich des Software-Testings. Neue Navigationssysteme werden auf ihre Funktionalität geprüft, Testszenarien entwickelt und ausgewertet. Ein aktuelles Projekt von ihr ist die Weiterentwicklung eines Systems für den Nord-Ostsee-Kanal, welches die Anmeldung und Durchfahrt von Schiffen optimiert. Durch präzise Tests wird die maritime Navigation nicht nur effizienter, sondern auch sicherer.
Schwämmle gab somit den Studierenden mit, dass die Geodäsie weit über die klassische Landvermessung hinausgeht – sie reicht bis hinaus aufs Meer und spielt eine zentrale Rolle in der modernen Navigation.

Das Nachwuchskolloquium war erneut ein voller Erfolg. Die praxisnahen Einblicke der Referenten zeigten nicht nur die Vielseitigkeit der Geodäsie, sondern auch, dass Karrierewege oft überraschend verlaufen und individuelle Chancen bieten. Mit neuen Impulsen und wertvollen Kontakten klang das DVW-Nachwuchskolloquium „Success Stories Geodäsie“ bei einem geselligen Austausch und einem kleinen Imbiss aus.
